Biwak 1895 - Das Experiment geht weiter

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Allgemeines zum Projekt:

Die HDG Infanterieregiment Nr.30 Graf Werder führte nun zum zweiten Mal als Versuch ein historisch stimmiges Biwak durch, bei dem sämtliche Kompromisse an die heutige Zeit vermieden wurden. In korrekt gepacktem feldmarschmässigen Anzug wurde über eine Strecke von ca. 15 km zum Biwakplatz marschiert, die Verpflegung auf dem Marsch und im Biwak selbst war gemäss damaligen Vorgaben, lediglich einige privat beschaffte Utensilien wie Kaffeemühlen, Spielkarten, Tabakwaren, Branntwein, Käse wurden zusätzlich mitgeführt. Ein Experiment, das so unseres Wissens nach außerhalb unserer Gruppe für diese Epoche bisher nicht durchgeführt wurde.

Dieses Mal hatten wir uns vorgenommen noch einige Aspekte der Darstellung weiter auszuloten. So wurde während des Projektes z.B. darauf geachtet dass der Umgang untereinander den damaligen Gepflogenheiten entsprach und dass die Vorgesetzten entsprechend ihres sozialen Ranges behandelt wurden. Auch versuchten wir uns dieses Mal im Rösten von grünen Kaffebohnen und beim Errichten von Unterständen nur mit dem mitgeführten Schanzzeug.

Ebenso war angedacht während der Projektzeit an passenden Stellen Ausbildungsinhalte einzuflechten.

 

Die Teilnehmer:

Dieses Mal bestand die unerschrockene Truppe aus 1 Fähnrich, 1 Unteroffizier, 2 Gefreiten, 5 Musketieren des IR30 und einem attachierten Sanitäter des 8.AK.

 

Der Auftrag:

Die Marschbefehle des Regimentskommandeurs knapp zusammengefasst:

Durchführung eines Marsches von 15 km durch bergiges Gelände unter Abarbeitung von Ausbildungsinhalten im Felde ( Vorrücken in unwegsamem Gebiet, Stellungsbau, Verwundetentransport usw.)

Vorrücken zum Vorposten auf dem Kamm des Heidenkopfs, Einziehen des Postens und Weitermarsch zum Biwakplatz in der Flur "Lehmkaul"

Errichten eines Marschbiwaks und weitere Ausbildung (Alarm, Feldwache, Unterstand)

Am nächsten Morgen Rückmarsch ins Quartier.

 

Die Durchführung:

Am 28.04. um 7 Uhr wurde geweckt,Verpflegung ausgegeben und Marschbereitschaft hergestellt. Uffz. Reimsbach ließ gegen 8 Uhr antreten und die Truppe Formaldienst üben, bis der Kommandeur Fähnrich Becker die Truppe übernahm. Die oben gezeigten Marschbefehle des Regimentskommandeurs wurden überbracht und Fähnrich Becker ließ die Truppe nach Studium derselben abrücken.

In Ermangelung des klingenden Spiels rückte die Einheit mit einem Lied auf den Lippen im Tritt durch die Ortschaft ab ins Manövergebiet.

Während des Marsches wurde auch die Ausbildung im Feld nicht vernachlässigt. So wurden z.B. eine Eisenbahnstrecke überprüft,die Orientierung anhand von Kompass, Karte und Sonnenstand geübt und reglementgemäss Aufklärung im Wald oberhalb der Marschroute betrieben.

Schnell stellte sich aber heraus daß die seltsamen Geräusche durch eine alte Konservendose verusacht wurden, gegen die der Wind ab und zu ein Ästchen schlug.

Nach diesen recht anstrengenden Ausbildungsabschnitten befahl Fähnrich Becker eine Pause und ließ die Truppe ablegen und Wasser/Essen fassen.

Frisch gestärkt ging es an die härteste Etappe des Marsches. Diese führte über 5 km permanent bergauf zum Vorposten auf dem Heidenkopf. Schon schnell wurde klar daß diese Strecke nur mit zusätzlichen Marschpausen zu bewältigen wäre, da die ca 35 kg Gepäck, die schwüle Luft bei ca 26 °C und der jetzt schon bemerkbare Wassermangel sehr an den Kräften der beteiligten Soldaten zehrten...trotz befohlenem Reisemarsch.

Nur die Hoffnung auf eine längere Marschpause und die beim Vorposten gelagerten Wasservorräte hielt die Männer aufrecht und sorgte dafür, dass der Trupp vollständig, wenn auch erschöpft schliesslich den Vorposten erreichte. Der dort stationierte Gefreite erspähte die Truppe von seiner Beobachtungsposition aus, dank des ausgegebenen Fernglases recht früh, und rief die sich Nähernden vorschriftsmässig an, sich erkennen zu geben.

Nach einer ausgedehnten Marschpause in glühender Mittagshitze machte sich der Trupp, durch den Vorposten verstärkt, wieder gutgelaunt auf den Weg zum angewiesenen Biwakplatz.

Videos: Marsch 1 Marsch 2

Letztendlich traf die Truppe müde, aber vollständig am Biwakplatz nach gefordertem 15 km Marsch ein. Dort wurden die Gewehre zu Gewehrpyramiden zusammengestellt und das Gepäck abgelegt.

Nach kurzer Erfrischungspause wurden die Soldaten von Fähnrich Becker zu den einzelnen Aufgaben beim Errichten des Biwaks eingeteilt. Neben dem Postendienst waren 2 Mann für das Errichten der Planenzelte verantwortlich, 2 Mann kümmerten sich um Feuergrube, Latrine und Feuerholz, 2 Mann bauten einen Unterstand und 2 Mann besorgten halbwegs trockenes Laub um darauf die Nacht verbringen zu können.

Sobald diese Aufbauarbeiten beendet waren, wurde ein regelmässiger, vorschriftsmässiger Postenwechsel durchgeführt und unsere findigen Soldaten machten sich daran, das Lager ein wenig bequemer zu machen, indem sie für Sitzgelegenheiten sorgten.

Nach den ersten Wachwechseln ließ Fähnrich Becker abkochen und gab nur den wachfreien Soldaten dienstfrei.

Wie könnte es anders sein, stieg schon kurz nach dem Abkochen der Duft frisch gerösteter Kaffebohnen auf...zur Hebung der allgemeinen Moral!

Als alle gesättigt waren und einen hervorragenden starken Kaffee genossen hatten, wurden 2 Mann zum nahegelegenen Bach geschickt um das Essgeschirr der Truppe zu reinigen. Währenddessen genossen die wachfreien Soldaten ihre Freizeit oder flickten Material.

Kaum ein wenig entspannt, ertönte plötzlich ein Alarmruf des aufgestellten Postens. Er hatte durch das Fernglas etwas beobachtet, was er für bespannte Artillerie gehalten hatte. Sofort wurde für das ganze Lager Alarm gegeben und alle Soldaten hasteten zu ihren Waffen und dem Koppelzeug.

Daraufhin schickte Fähnrich Becker eine Patrouille aus 4 Mann unter dem Kommando des Unteroffiziers Reimsbach in das nahegelegene Birkenwäldchen, um die Beobachtungen aus der Nähe zu verifizieren.

Wie sich herausstellte, war dies eine unangekündigte Übung unseres Fähnriches, um die Reaktionsgeschwindigkeit der Truppe zu testen. Danach erhielten die wachfreien Soldaten wiederum dienstfrei und konnten sich am Feuer von den Strapazen des Tages erholen. Während des (nur noch kurzen) Abends amüsierten sich die Mannschaften bei dem ein oder anderen Schlückchen Medizin,Tabak, Kartenspiel und Gesang und tauschten Geschichten oder Liebesgaben von zu Hause aus. Fähnrich Becker zog sich schnell zurück um sich an mitgebrachter Lektüre zu delektieren und die Soldaten nicht in Verlegenheit zu bringen. Der Postendienst wurde bis in die Nacht hinein fortgeführt.

Schon recht rasch betteten die ersten ihre müden Knochen in den Planenzelten und versuchten eine Mütze voll Schlaf zu bekommen.

Nach einer recht warmen,aber feuchten Nacht wurde die Truppe durch Fähnrich Becker um 6 Uhr morgens mittels Signalpfeiffe geweckt. Sobald sich alle aufgerappelt hatten, ließ der Unteroffizier die müden Mannschaften zum Morgenappel antreten.

Nach der Begrüßung durch den Fähnrich wurde der Befehl zum Herstellung der Marschbereitschaft nach dem Abkochen gegeben.

Ruckzuck wurden die mitgebrachten grünen Kaffebohnen wiederum erfolgreich, ohne spätere Komplikationen beim Stuhlgang auszulösen, geröstet, gemahlen und zubereitet.

Nach einem Mahl aus Fleischkonserven Zwieback,Komissbrot und Kaffee begann der Trupp direkt damit das Lager abzuschlagen, Feuergrube und Latrine zu verfüllen und sich marschbereit zu machen.

Nach Herstellung der Marschbereitschaft wurde angetreten und nach erfolgreicher Übung ins Quartier in Nohfelden abgerückt, wo stolz und zur Erhebung der Bevölkerung wiederum im Tritt und mit einem Lied auf den Lippen zum Ausgangspunkt eingerückt wurde.

Unser Fazit:

Was haben wir daraus gelernt? Natürlich auch dieses Mal offensichtlich nichts, denn es wurde beschlossen diese Veranstaltung zum festen Bestandteil unseres Terminkalenders zu machen. :-)

Eine Neuauflage des Events ist für das nächste Jahr vorgesehen, Interessenten aus dem Mannschaftsstand können sich bereits melden.

 

  • Jeder war gezwungen sich mit seiner Ausrüstung, ihrem Nutzen und der maximalen Traglast auseinander zu setzen und konnte dabei ganz neue Erfahrungen machen
  • Man merkte schnell wie dankbar man selbst für die kleinste Hilfe von Kameraden war. Sei es durch Motivation, Tragehilfe bei der Ausrüstung, medizinische Versorgung oder einfach nur dadurch dass das knappe Wasser trotz schwülen 26 °C kameradschaftlich geteilt wurde.
  • Selbst auf dem feuchten Boden in klammem Laub lässt es sich im Militärmantel relativ gut schlafen.
  • Seitengewehre und Spaten sind die "Multitools" des Infanteristen und können für fast alles eingesetzt werden.
  • Einige haben eine Menge über das Leben in freier Wildbahn mit minimaler Ausrüstung gelernt, was sie so noch nicht kannten. (z.B. Feuermachen in einem feuchten Wald mit feuchtem Holz, Bauen von einfachen Laubhütten, Latrinengang ;-) usw.)

Wir sind in das harte Biwakleben eines preussischen Infanteristen des Jahres 1895 eingetaucht, wie es sonst kaum möglich ist!

Dafür möchten sich die Organisatoren Christian Peter und Marc Becker herzlich bei allen Teilnehmern bedanken.

 

Wer jetzt noch nicht genug Bilder gesehen hat kann sich bald hier gerne noch ca 400 stk. anschauen: BILDER

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