Vorgeschichte zur Schlacht bei Spichern 06.August 1870


Der Krieg 1870-71, dem eine diplomatische Kontroverse über die spanische Erbfolge voranging (Emser Depesche), war die Folge einer bewussten Inkaufnahme des Risikos eines Krieges durch die beiden Parteien Frankreich (Napoleon III, Ministerpräsident Olivier, Aussenminister Herzog Gramont) und Preussen (Wilhelm I, Ministerpräsident Bismarck). Für Preussen ging es um die Machtausdehnung und die Einigung des deutschen Reiches unter preussischer Führung. Frankreich hatte mit schweren innenpolitischen Krisen zu kämpfen, sodass Napoleons Herrschaftsanspruch durch einen militärischen Sieg gefestigt werden sollte. Ausserdem fürchtete Frankreich um seine Führungsrolle auf dem europäischen Kontinent und wollte so einer Machtausdehnung Preussens entgegenwirken. Nach der ersten Schlacht bei Weissenburg fanden die nächsten grossen Schlachten im Krieg 1870/71 bei Spichern und Wörth statt. Die Schlacht bei Spichern war hierbei die erste Schlacht, die im Bereich des 1. und 2. Armeekorps geschlagen wurde. Obwohl vom Generalstab nicht geplant und vorgesehen, auch unvorbereitet und ohne beiderseitige genaue Aufklärung begonnen, entwickelte sich dieser Waffengang vom einfachen Begegnungsgefecht hin zu einer besonders blutigen Schlacht mit insgesammt fast 60.000 Soldaten und strittigem Ausgang.

Der französische Aufmarschplan sah eigentlich vor, mit einer Rheinarme unter Bazaine von 150.000 Mann nach Mainz vorzurücken. Eine Südarme bei Strassburg unter MacMahon sollte derweil als Befreier über Stuttgart in Süddeutschland einrücken und diese Staaten zum Kriegseintritt auf französischer Seite bewegen. Nach den ersten Anfangserfolgen, würden sich Italien und der alte Feind Preussens von 1866, die Österreicher, ebenfalls auf französischer Seite engagieren. Hierzu sollten sich 60.000 Italiener bei Kufstein, und 100.000 Österreicher bei Pilsen sammeln. Dieser Plan wurde jedoch sofort illusorisch, als die Süddeutschen Staaten auf deutscher Seite antraten. Vier Wochen nach Mobilmachung stand das Verhältnis der vereinten gesamtdeutschen Armee zu französischer Armee fast 2:1. Zudem leistete man sich beim französischen Aufmarsch auch noch bedenkliche Fehler. Der Feldzug stand für Frankreich somit von Beginn an unter einem äusserst ungünstigen Stern. Doch zurück in die Saargegend:

Nach der französischen Kriegserklärung am 19.Juli fand bis zum Gefecht, der Beschiessung und der Einnahme Saarbrückens am 02.August 1870 eine Art Kleinkrieg statt, in der Geschichte als "Grenzwacht an der Saar" bezeichnet, vor allem vom 40. Inf. Regiment aus Trier, Teilen des 69.Inf. Regiments aus Saarlouis und den 7.Ulanen aus Köln geführt. Durch permanente Patrouillengänge und Kommandoeinsätze, beispielsweise zur Zerstörung französischer Eisenbahnlinien, wurde zeitweise eine ganze französische Division durch ein Battailon Preussen ernstlich beunruhigt. Auch die Ulanen trugen erheblich dazu bei, den Gegner über die eigentliche preussische Truppenstärke in Saarbrücken in Unkenntnis zu lassen. So wurden verschiedenfarbige Aufschläge und Kragen aus Papier gefertigt, um verschiedene Regimenter vorzutäuschen. Die Ulanenlanzen blieben zeitweise zuhause, Helme sowie Uniformröcke der 40er Infanterie wurden getragen, um so mit gezogenem Säbel als Dragoner zu patrouillieren. Oder sie erschienen mit weissen Stalljacken und den blanken Helmen der ansässigen Feuerwehr, um so für den Gegner ganz offensichtlich als Kürassiere angesehen zu werden. So kam es, dass französische Zeitungen anstatt über 300 Ulanen, von einer ganzen Kavalleriedivision bei Saarbrücken zu berichten wussten.

Obwohl Frankreich seinen Aufmarsch als Erster beendet hatte, wurde dieser Vorteil in Saarbrücken sehr deutlich verspielt und gezeigt, dass Frankreich sich auf diesen Krieg nicht ausreichend vorbereitet hatte. Neben grundsätzlichen Versäumnissen des französischen Kriegsministeriums, so sorgte auch die unzureichende Intendantur auf französischer Seite dafür, dass französische Soldaten schon gleich zu Beginn des Feldzuges Hunger litten. Als Saarbrücken beschossen und das kleine preussische Battailon ab dem 2. August vertrieben war, so zog es erst einmal von Hunger getriebene Plünderer in die offene, unverteidigte Stadt

Das französische Korps unter Frossard schlug sein Lager zwischen den beiden Höhenzügen auf, die Spichern und Saarbrücken trennten. Die Franzosen führten sich ganz unterschiedlich in diesen wenigen Tagen in den preussischen Städten Saarbrücken, St. Arnual und St.Johann auf. Einerseits waren französische Offiziere gemäss dem Befehl des Kaisers überwiegend darauf betont, die Bevölkerung zu achten und zu schonen. Andererseits nahmen die gemeinen Soldaten oft ohne zu geben und führten sich auch sonst ungebührlich auf. Besonders Nahrungsmittel und Alkohol waren sehr begehrt. Doch auch bestimmte preussische Truppengattungen hatten anscheinend das Märchen vom Saarfranzosen gehört und führten sich entsprechend wie in Feindesland auf. Doch an dieser Stelle noch zwei Episoden aus diesen Tagen, die zeigen, in welcher Verfassung sich die französische Armee befand, die aber auch die Nachsicht von General Frossard zu Tage führen sollen, der die Stadt wie seine Vorgänger in den Revolutionskriegen auch übel für die Feindseligkeit hätte massregeln können:


Am St.Johanner Markt nahm eine Patrouille Ulanen unter mithilfe der Bevölkerung mehrere französische Soldaten aus 6 verschiedenen Einheiten fest, die teils ohne Erlaubniss, Freigang oder Urlaub in den Wirtschaften zechten. Obwohl die Stadt von französischen Wachen wimmelte, konnte die Patrouille unter Stellung eines Fuhrwerks ihre angetrunkenen Gefangenen sicher und ohne Gegenwehr aus der Stadt schaffen.

Am Vortag der Schlacht sah man plötzlich einen schwarzgekleideten, mit gelben Fangschnüren versehenen Braunschweiger Husaren im Galopp durch Saarbrücken reiten. Die Leute rufen ihm noch zu: “Zurück Husar! Die Stadt ist voll Franzosen!”. Den Karabiner im Anschlag reitet er mit lautem Hurrah bis zum Schlossplatz und gibt dort einige Schüsse auf den dort befindlichen Haufen Franzosen ab. Diese ergreifen, ohne auch nur an Gegenwehr zu denken, sofort das Hasenpanier und stürzen mit dem Schreckensruf “Les prussiens! Sauve qui peut!” davon. In wirrem Durcheinander, Blechgeschirre, Gewehre und Tornister zurücklassend, reitet unser Hussar, mit überlieferte Namen Rowold, im Schritt wieder zurück zu seiner Patrouille in den Vororten.

Als die Nachricht vom Sieg in Weissenburg in Saarbrücker Zeitungen veröffentlicht wird, ziehen sich die Franzosen von der Saarbrücker Höhe auf die Spicherer Höhe zurück und errichten ein neues Lager bei Forbach. In Saarbrücken wurden die “Rothosen” immer seltener…ein Lothringer Soldat erklärte den Bürgern: “Mer han Schläh krieht; mer misse fort”.


Als der deutsche Aufmarsch beendet war, die Armekorps sich gebildet hatten und sich in Richtung Ihrer Marschziele bewegten, so klappte auf deutscher Seite natürlich auch nicht alles. Das VII. Korps der 1. Armee mit der 14. Divison (v.Kamecke)setzte sich zu weit südlich noch vor das VIII. und sogar das brandenburgische III. Korps, welches eigentlich für den Durchmarsch durch Saarbrücken vorgesehen war. So kam es, dass das Spitzenregiment des Korps, das 39. Inf. Reg. bereits am 06. August durch Saarbrücken zog und nach überquerung der Brücken sofort auf die Hügel des südlichen Talrandes ausschwärmte. Vis à Vis auf dem Höhenzug gegenüber bereitete sich das französische Korps von Frossard vor. Artillerie feuerte hinüber, sobald sich eine Pickelhaube zeigte, Verschanzungen und Schützengräben am roten Berg wurden ausgehoben. Es war der 6. August 1870…eine der blutigsten Schlachten dieses Krieges nahm ihren Anfang.