Die Truppenfahnen des Infanterieregiments Nr.30


Fahnen dienten ursprünglich im Kampf als Orientierungspunkt für Soldaten und Truppenteile. Aus der Bindung der Einheiten an ihre persönliche Fahne keimte auch deren Bedeutung als Symbol für militärische Treue und Ehre. So wurde der Fahneneid auf die Fahne geschworen und Fahnenflucht galt als schweres Vergehen eines Soldaten. Die Fahne wurde quasi zum Heiligtum, welches sowohl kirchlich geweiht als auch an besonderer Stelle aufbewahrt wurde. Nicht nur Militärangehörigen sondern besonders auch den Fahnen wurden militärische Ehrbezeugungen entgegengebracht. Die Verteidigung der Fahne war stets soldatische Pflicht, verband sich damit doch die Ehre seines Truppenteils. Die Eroberung einer gegnerischen Fahne war eine Ruhmestat, der Verlust der Eigenen galt als Schande. Die Namen der Soldaten oder Offiziere, die mit der Fahne in der Hand gefallen waren, wurden auf einem silbernen Ring an der Fahnenstange angebracht. Im Gefecht beschädigte Fahnen erhielten ebenfalls silberne Ringe, auf denen das Ereignis vermerkt war. Hohes Alter und Spuren bestandener Kampfhandlungen galten seit je als besondere Zierde der Fahnen. Eroberte Fahnen und Standarten waren die schönsten Siegestrophäen und wurden selbst nach Friedensschluss nicht herausgegeben, sondern im Zeughaus oder in Kirchen aufbewahrt.

Das königlich preußische Infanterieregiment Nr.30, welches aus Teilen der deutsch-russischen Legion gebildet war, wurde am 26. Februar 1815 in preussische Dienste übernommen. Fahnen erhielten zunächst nur die ältesten Regimenter, die in den Befreiungskriegen gekämpft hatten. König Friedrich Wilhelm III. wollte an die nach den Befreiungskriegen entstandenen Regimenter erst nach 10-jähriger "vorwurfsfreier Friedensdienstzeit" Fahnen verleihen. Als im Kampf gestandenem preussischem Linienregiment stand ihm, besonders nach den verlustreichen Schlachten in Wawre und Ligny natürlich Truppenfahnen zu, welche am 09. Mai 1816 in Danzig dem I. und II. Bataillon sowie in Thorn dem Füsilierbataillon übergeben wurden. Es gab keine Kompagniefahnen mehr, sondern nur noch Regiments- und Bataillonsfahnen.

Diese Fahnen entsprachen dem typisch preußischen Muster von 1808 für Linieninfanterieregimenter: Grundfarbe war ein schwarzes Tuch mit spitzen weißen Keilen nach den vier Ecken. In der Mitte befand sich ein orangefarbenes Medaillon mit bewehrtem und gekrönten schwarzen preußischen Adler und hellblauem Devisenband mit goldener Schrift „Pro Gloria et Patria“ umgeben von einem goldenen Lorbeer. Zwischen den weißen Keilen auf schwarzem Grund war an den vier Seiten je eine goldene flammende Granate und in den vier Ecken von goldenem Lorbeer umgeben der goldene gekrönte Namenszug „FWR“ aufgebracht.

 

Aus der Regimentsgeschichte sind folgende Auszeichnungen ersichtlich:


1815 "Seine Majestät der König auf Antrag des Fürsten Blücher dem 30. Infanterieregiment zur Belohnung seines in dem letzten Kriege bewiesenen, ausgezeichnet guten Benehmens drei Fahnen zur verleihen geruht habe." 


1849 "Ich verleihe dem 1. und dem Füßilier-Bataillon des 4. Rhein. IR 30 zur ehrenden Erinnerung an die Campagne von 1849 in der bayerischen Pfalz und dem Großherzugtum Baden, an welcher dieselben rühmlich Theil genommen haben, das Band des Militär-Ehrenzeichens mit Schwertern an ihren Fahnen (12.01.1861)".


1866 "An die Fahnen das Band des Erinnerungskreuzes von 1866 (2. und Füßilier-Bataillon mit Schwertern)".


1870/1871
"In dankbarer Anerkennung des rühmlichen und bisher unübertroffenen Leistungen Meiner Truppen in dem beendten Feldzug verleihe Ich denselben folgende Auszeichnung an die Fahnen und Standarten: bei den Truppen deren Fahnen bzw. Standarten im Feuer gewesen sind und das Eiserne Kreuz noch nicht führen, das Kreuz in den Fahnen- bzw. Standartenspitzen. Die am 22.Oktober durch einen Granatsplitter an der Spitze beschädigten Fahne des 2.Bataillon wurde durch Hauptmann Alten und Sergant Hoppenrath(8.) Sr. Majestät in Berlin vorgestellt. Sie wurde dort nach Allerhöchster Anordnung reparirt und um die Tülle der neuen Spitze ein silberner Ring gelegt( mit der Inschrift Geneuille und Auron am Ognon 22.Oktober 1870)".

 

Nach der Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 führten die einzelnen Truppenverbände weiterhin die Truppenfahnen ihrer vorherigen bundesstaatlichen Armeen weiter. 1899 stiftete Kaiser Wilhelm II jedoch als Ersatz zu den verschlissenen Fahnentüchern neue Fahnen. Von manch alten Fahnen aus dem 18.Jahrhundert war lediglich die Fahnenstange noch erhalten, an der, wenn überhaupt, nur ein kümmerlicher Fetzen hing. Ewald Fiebig in seinem Buch "Unsterbliche Treue. Das Heldenlied der Fahnen und Standarten des deutschen Heeres" schrieb: "1888 war der Zustand der Fahnen, insonderheit derjenigen, die von Leibzig bis Sedan auf allen Ehrenfeldern geweht hatten, ein recht trauriger". Alle Vorgänger Wilhelms II hatten auf Ihrer allerhöchsten Willensbekundung beharrt, dass "die Fahne ein Palladium" sei, an dem nichts geändert werden dürfe. Wilhelm II erneuerte in seiner Regierungszeit insgesammt 379 Fahnen und 29 Standarten, beginnend mit seiner A.K.O vom 18.12.1890 und dann umfassend mit seiner A.K.O. vom 01.01.1900.: " Ich will an denjenigen Fahnen und Standarten meines Heeres, deren Tücher durch die ruhmvoll bestandenen Feldzüge und den Zeitablauf vollständig zerstört sind, oder sich in einem die Wiederherstellung ausschliessenden Zustande befinden, die Tücher erneuern." Diese neu gestifteten Fahnen entsprachen dem alten preußischen Muster von 1713, das Fahnentuch hatte üblicherweise die Grundfarbe der Schulterklappen. Das militärische Zeremoniell anlässlich von Nagelungen, Weihe und Vorbeiführen der meist neu gestifteten Feldzeichen fand unter aktiver, persönlicher Teilhabe Wilhelms II statt.

Die erste Einheit des Regiments, welche am 27. Oktober 1894 in Saarlouis eine solche, neue Fahne verliehen bekam, war das IV. Halb-Bataillon im Rahmen seiner Gründung. Bis dahin war das Infanterieregiment in 2 Musketier-Bataillone und ein Füsilier-Bataillon gegliedert. Erst im Rahmen der Heeresvermehrung 1894 kam nun ein IV Halbbataillon hinzu. Es erhielt am 27. Oktober 1894 in Saarlouis eine Fahne aus hellblauem Tuch, sonst wie oben beschrieben.


Als dieses Halbbataillon am 1. April 1897 zum Infanterie Regiment Nr.161 abgegeben wurde, verblieb diese Fahne jedoch beim Regiment und wurde 1914 bei Kriegsausbruch an das Reserve-Infanterie-Regiment Nr.30 übergeben.

Die Stammbataillone erhielten erst 1905 eine Fahne neueren Musters. Das erste Bataillon beispielsweise im Rahmen der Kaiserparade des VIII. Armeekorps am 11.Septemeber 1905. Dieses neue Fahnenmuster, welches ab 1890 eingeführt wurde, sah wiefolgt aus: Ein hellblaues Tuch mit schwarz-weiß-schwarzen Keilen nach den vier Ecken und weißem Medaillon. In den vier Ecken war nun der Namenszug „WR“ von goldenem Lorbeer umgeben.

Die Änderung der Kriegstechnik führte zum Verlust der Bedeutung der Fahne als taktisches Feldzeichen. Seit dem Jahr 1900 hatte z. B. die Feldartillerie keine Fahne mehr, nur das jeweils erste Bataillon eines Fußartillerieregiments. Im Ersten Weltkrieg wurden zwar die Fahnen noch ins Feld mitgenommen, aber mit Beginn des Stellungskrieges wieder nach Hause gebracht.

Spezielle Merkmale der Fahnenstange:

Abmasse allgemein
Länge: ca. 2800-2900mm
Durchmesser: 37mm
Fahnenschuh: ca. 60-65mm
in der Mitte ein Bezeichnungsring aus Messing 50mm hoch mit der
Inschrift: "I.R.No30. I B" beim 1.Bataillon

Und des Fahnentuches:

Fahnenblatt Seide, appliziert, beidseitig bemalt, Masse 137 x 144,5 cm